Moseltrocken war gestern
"Moseltrocken" - dieser etwas sarkastisch gemeinte Begriff ist in der Branche Gang und Gäbe und beschreibt letztendlich nur die Tatsache, dass vor allem früher viele Weine, die von Moselwinzern als trocken bezeichnet wurden, im überregionalen Vergleich dann aber doch immer etwas mehr Restzucker hatten und somit lächelnd eben als moseltrocken bezeichnet wurden. Zugegeben: für moselanische Verhältnisse waren die Weine recht trocken, da die Spezialität dieser Region eindeutig auf den restsüßen Qualitäten Kabinett und Spätlese liegt.
Der Grund liegt im Prinzip in den klimatischen Bedingungen. Die Mosel war immer eines der kühleren Weinbaugebiete Deutschlands und da früher die Durschnittstemperaturen generell noch niedriger waren, wurde es in den Weingutskellern auch schon Ende September gerne mal kälter als 15°C. Das Problem dabei: Unterhalb von 15°C arbeiten Hefen nur noch bedingt, unterhalb von 5°C sterben sie sogar komplett ab. Übrigens auch bei über 35°C, was sich im Wein dann in Form eines Essigstichs zeigt.
Die Folge der niedrigen Temperaturen ist, dass die Hefen nicht den gesamten im Wein enthaltenen Zucker zu Alkohol verstoffwechseln konnten. Somit blieben die Weine häufig niedriger im Alkohol als gewünscht und hatten immer ein feines sog. Zuckerschwänzchen.
Viele alteingesessene Moselbetriebe stellen ihren Wein heute auch noch so her, indem die Weine während der Gärung entweder künstlich runtergekühlt werden oder der Wein vor Ende der Gärung geschwefelt wird, so dass die Hefen abgetötet werden. Aber es gibt vor allem junge Winzerinnen und Winzer, die sich die geänderten klimatischen Bedingungen zu Nutze machen und richtig trockene, terroirbezogene Weine auf die Flasche bringen. Einer davon ist Daniel Fries.
Daniel stellt seit 2019 den Familienbetrieb in Winningen an der Terrassenmosel ordentlich auf den Kopf, hat einige Stahltanks und Reinzuchthefe komplett rausgeschmissen, den Fasskeller ausgeweitet, setzt auf naturnahen Weinbau und kaschiert nichts. Der Wein liefert das, was die Böden der Spitzenlagen wie Röttgen, Uhlen und Dom hergeben und was das Jahr klimatisch mitbringt. So entstehen geniale, knochentrockene Moselweine mit Ecken und Kanten.
Neu im Portfolio findet sich die Cuvée "Distel" aus Weißburgunder und Chardonnay, die den bisher reinsortigen Weißburgunder ablöst. Der Wein wird also erwachsen, ums kurz zu fassen. Für ein Jahr ausgebaut im Großen Holz, teils aus eifeler, teils aus französischer Eiche. Den zweiten Winter hat die Cuvée im Edelstahl verbracht.
Der Weißburgunder stammt von 25 Jahre alten Reben, die sein Vater damals pflanzte. Den burgundischen Chardonnay-Klon pflanzte Daniel 2019 bei seinem Betriebseinstieg selbst, hoch oben auf einer steilen Kuppe im Winninger Distelberg. Übrigens stammt das der Name der Rebsorte Chardonnay vom französischen Wort "le chardon" ab, was - haltet euch fest - übersetzt "Distel" bedeutet.
Aber burgundische Rebsorten auf den schiefergeprägten Böden der Terrassenmosel!? Ja, wie wir ganz klar feststellen müssen. Ich habe den Wein in einem befreundetet Restaurant, die die Weine von Daniel führen, blind vor die Nase gesetzt bekommen und war erstmal im Chablis. Just saying.